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Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V.

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Klimaanlagen als Keimschleudern häufig unterschätzt

Replik auf ein Radiointerview des Berliner Senders F.A.Z. 93.6 am 13.08.2002

Anmoderation
Es vergeht in den letzten Jahren kaum ein Sommer, in dem nicht irgendwo in Europa die Legionärskrankheit ausbricht. Erst kürzlich sind in England und Spanien über hundert Menschen erkrankt- In beiden Fällen wurden wieder einmal Klimaanlagen als Infektionsherd ausgemacht. Jetzt hat eine Studie ergeben, dass das Kühlwasser für Klimaanlagen als Inpfektionsquelle für die Erreger oft unterschätzt wird. Dabei hat man in den sogenannten Rückkühlwerken bedenkliche Mengen der Erreger gefunden.
Warum diese Risiken bisher falsch eingeschätzt wurden, darüber spreche ich jetzt mit Prof. Axel Kramer. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene.

Guten Tag Herr Prof. Kramer,
„Die Wartungsvorschriften für Klimaanlagen werden von Experten allgemein als gut eingeschätzt - warum wird das Hygieneproblem der Rückkühlanlagen trotzdem kaum berücksichtigt?“

Antwort: Seit dem ersten Ausbruch der Legionärskrankheit 1976 in einem Hotel in Philadelphia anlässlich eines Treffens von Legionären (Vietnamveteranen) sind die Risiken schlecht gewarteter Klimaanlagen bekannt. Ursachen dieses Ausbruchs waren in Lüftungskanälen angesiedelte Legionellen.
Besonders der Ausbruch von Legionellosen in der spanischen Stadt Murcia hat 2001 Aufsehen erregt. Bei über 300 Patienten wurde die Krankheit diagnostiziert. Bei Untersuchungen in Murcia wurden in 14 Klimaanlagen Legionellen gefunden. Unter den Gebäuden befand sich ein großes Kaufhaus sowie mehrere Verwaltungs- und Regierungseinrichtungen.
Weitere Risiken schlecht gewarteter RLT-Anlagen sind eine erhöhte Pilz- und Bakterien, ggf. auch Milbenallergenbelastung.

Direkt zu Ihrer Frage: Die regelmäßige Überwachung von Klimaanlagen umfasst in Deutschland selbstverständlich auch die Überprüfung von Rückkühlanlagen. Baulich muss dafür Sorge getragen werden, dass ein Mitreißen von Kondensatwasser in den Luftstrom ausgeschlossen wird. Zugleich ist zu gewährleisten, dass vom ablaufenden Kondensatwasser keine Infektionsrisiken ausgehen. Da für die Befeuchtung der zugeführten Luft in Deutschland im Unterschied zu vielen anderen Ländern nur Dampfbefeuchter zugelassen sind, entfällt auch diese Quelle einer Raumluftkontamination.
Dafür, dass Klimaanlagen in Deutschland offensichtlich hygienischen Anforderungen Genüge tun, spricht, dass bisher keine Ausbrüche der Legionärskrankheit über Klimaanlagen wie in den USA, Spanien oder jüngst in England bekannt wurden.

”Es gibt in Deutschland Vorschriften für den sicheren sprich technisch reibungslosen Betrieb von Klimaanlagen. Warum gibt es bisher keine rechtlich bindenden Verpflichtungen für hygienische Standards?„

Antwort: Ihre Aussage ist so nicht mehr zutreffend. Tatsächlich ist die Wartung, Inspektion und Reinigung von RTL-Anlagen in Deutschland in der Vergangenheit vernachlässigt worden. Durch die Einführung der VDI Richtlinie 6022 Teil 1 ist ein Standard für die Ausführung, Wartung, Inspektion und Reinigung von Zu- und Ablüftungssystemen hinsichtlich der technischen Instandhaltung und vor allem für die hygienischen Wartungsanforderungen für RLT-Anlagen geschaffen worden. Ergänzt wird diese Richtlinie durch Informationen zur Ausbildung und Schulung des Personals sowie durch eine Checkliste zur Kontrolle.
Die rechtlichen Aspekte bei der Instandhaltung, Inspektion und Reinigung von RLT-Anlagen sind folgende: Bis zum 21.08.1996 konnten RLT-Anlagenbetreiber gesetzlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, um Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten an ihren RLT-Anlagen vorzunehmen. Dann trat das neue Arbeitsschutzgesetz in Kraft und gab damit den Stand der Technik vor, beschrieben in den DIN-Normen, Richtlinien usw.. Das heißt, dass die Richtlinien damit quasi Gesetzescharakter bekommen haben. Die Überwachung des Arbeitsschutzes nach dem Arbeitsschutzgesetz ist staatliche Aufgabe und obliegt den Gewerbeaufsichtsämtern und den Trägern der Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften). Diese kontrollieren ihre Mitgliedsbetriebe durch technische Aufsichtsbeamte. Verstärkte Kontrollen durch Behörden und z.B. TÜV werden bereits durchgeführt. Auch der öffentliche Dienst ist an die Arbeitsstättenverordnung gebunden.

”In welchen Abständen müssen Klimaanlagen in Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen gewartet werden und ist das Ihrer Meinung nach ausreichend?”

Antwort: In Krankenhäusern müssen RLT-Anlagen 1x jährlich bezüglich Funktionstüchtigkeit, Keim- und Partikelrückhaltevermögen, in anderen Bereichen mindestens alle 2 Jahre überprüft werden. Da technische Parameter, die über die Funktionsfähigkeit der Anlage Auskunft geben, wie Druckdifferenzen und Kondenswasserbildung täglich bzw. monatlich überprüft werden und der Filterwechsel festen Rhythmen unterliegt, und die Anlagen mindestens monatlich einer Inspektion zu unterziehen sind, ist auf Grund unserer Erfahrung zumindest in OP-Bereichen die Überprüfung ausreichend. Im Vergleich dazu sind auf Grund eigener Untersuchungen nicht gewartete Klimaanlagen in Kfz ein ungleich größeres Problem.

”Gegen Pilzsporen und Bakterien werden in den Rückkühlaggregaten häufig auch Bakterizide eingesetzt. Wie sinnvoll ist das unter dem Stichwort Resistenzen?„

Antwort: Eine Resistenzentwicklung ist bei mikrobioziden Wirkstoffen im Unterschied zu Antibiotika nicht zu befürchten. Sofern Mikrobiozide eingesetzt werden, dürfen diese jedoch nicht in die Raumluft gelangen.

„Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass sich in Deutschland pro Jahr 6000 Menschen mit der Legionärskrankheit infizieren. Ist die Tendenz steigend?“

Antwort: Die Auswertung der gemeldeten Legionellosen ergibt im Vergleich 1999/2000 eine rückläufige Tendenz, im Vergleich 2001/2000 eine leicht steigende Tendenz, so dass eine Trendabschätzung z.Z. schwierig ist. ”Schlecht gewartete Klimaanlagen können auch zum so genannten "Sick-Building-Syndrom" führen. Die Krankheit äußert sich durch Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen. Welche Mikroorganismen sind dafür verantwortlich und was kann man dagegen tun?“

Unter dem Sick-Building-Syndrom versteht man einen Komplex unspezifischer (z.B. Schleimhautirritationen, brennende Augen, gehäufte Infektionen der oberen Atemwege, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen), die bei einem Aufenthalt in bestimmten Gebäuden insbesondere mit Klimatisierung auftreten, ohne dass eine eindeutige auslösende Noxe gefunden werden kann. Schimmelpilze, deren Allergene und Metaboliten können dabei eine gewisse Rolle spielen. Im Verdachtsfall ist durch Überprüfung der Klimaanlage und ggf. erforderliche Wartungsarbeiten einschließlich Filterwechsel, aber ggf. auch konstruktiven Veränderungen Abhilfe zu schaffen. Auf keinen Fall dürfen Innenraumbeschwerden bagatellisiert werden.

In Ergänzung zu dem Rundfunkinterview hat Herr Meierhans, Leiter der AG Klima- und Raumlufttechnik der DGKH, folgende Ergänzung gegeben: In den meisten Ländern der EU, Norwegen und die Schweiz eingeschlossen, ist die Nachhaltigkeit der Baukultur aufgrund moderner Gesetzgebungen so weit fortgeschritten, dass für einen guten Raumkomfort nur noch wenig künstliche Klimatechnik erforderlich ist. Bei deutlich reduzierten Luftvolumenströmen fällt es leichter, hygienisch einwandfrei zu bauen. Kompromisse wie sie bei den herkömmlichen „Alleskönner“-Klimaanlagen aus Platzmangel immer wieder in Kauf genommen wurden, sind nicht mehr aktuell. Wenn das, was übrig bleibt, nach der neuen VDI-Richtlinien 6022 gebaut und betrieben wird, sollten lufttechnische Anlagen nicht mehr ursächlich für Befindlichkeitsstörungen verantwortlich sein. Krankenhaus-RLT-Anlagen, die nach den neuen Krankenhaushygiene Leitlinien geplant und gebaut werden, unterscheiden sich nur noch in wenigen Bereichen von gut gebauten Anlagen für Wohn- und Geschäftsräme. Auch hier gilt es selbstverständlich, die VdI-6020 zu beachten. Erhöhte Luftmengen und die damit verbundenen höheren Ansprüche an Planung, Ausführung und Betrieb beschränken sich auf lokal eng begrenzte Bereiche und sind dort immer Evidenz basiert und gut kontrolliert.

Sofern Sie weitere Fragen oder Anregungen zum Thema haben, steht Ihnen die Web-Seite der DGKH hierfür zur Verfügung. Sie können sich auch direkt an Herrn Meierhans unter folgender e-mail-Adresse wenden: robert.meierhans@meierhans.ch

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