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Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V.

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Task force MRSA zur Intensivierung der Präventionsstrategien für die Eindämmung von MRSA

Stellungnahme der DGKH (A. Kramer, G. Daeschlein, T. Eikmann, M. Exner, P. Guggenbichler, H. Wagenvoort, K.-D. Zastrow) unter Mitarbeit von G. Baljer, L. Gürtler, M. Wendt und W. Witte

Entwicklung in Deutschland und Folgen
Im Ergebnis der European Antimicrobial Resistance Surveillance Study ist aktuell nur in Deutschland und Großbritannien ein überdurchschnittlicher Anstieg von MRSA um jährlich etwa 6 % zu verzeichnen. 1990 betrug der Anteil von MRSA an allen S. aureus-Isolaten (MSSA) in Deutschland etwa 1,7 %, 10 Jahre später regional unterschiedlich bis 15 % und gegenwärtig 20 % und darüber. Allerdings hat der Umfang der Antibiotika, gegen die eine Resistenz besteht, in Deutschland abgenommen.

MRSA-Infektionen sind im Vergleich zu MSSA mit verlängertem Krankenhausaufenthalt, erhöhter Morbidität und höheren Kosten für die Antibiotikatherapie verbunden, jedoch nur im Ausnahmefall ergibt sich eine lebensbedrohliche Situation. Hinzu kommt, dass die verbleibenden noch wirksamen Antibiotika z. T. toxischer sind und eine schlechtere Gewebegängigkeit besitzen (z.B. Vancomycin) als die gegen MSSA wirksamen Präparate und deren Einsatz weitere Resistenzprobleme zur Folge hat.

Mit dem Auftreten von MRSA ergeben sich neben der ethischen Dimension erhöhte ökonomische Belastungen. Das Aufnahmescreening kostet bei herkömmlicher Diagnostik im Fall eines negativen Kulturergebnisses etwa 10 €, bei positivem Ergebnis durch die erforderliche weitere Differenzierung bis etwa 50 €. Bei Einsatz der PCR ergeben sich Kosten von 25 € pro Untersuchung (ohne Personalkosten) mit dem Vorteil des negativen Ausschlusses innerhalb von 4-5 Stunden. Allerdings lässt sich dadurch bei MRSA-Nachweis ein Isolierungstag mit etwa 170 € zusätzlichen Kosten (in der Intensivtherapie sogar etwa 370 €) einsparen. Pro Erkrankung können sich in der Intensivtherapie bis zu 10.000 € zusätzliche Kosten ergeben. Wie auch das Beispiel der Niederlande zeigt, liegen die Kosten für Schutzisolierung und Screening jedoch weit unter den Behandlungskosten einschließlich der Zusatzkosten im Fall einer nosokomialen Ausbreitung.

Internationale Situation
In Ländern wie Japan, den USA, England, Frankreich, Spanien und Italien ist die Inzidenz von MRSA auf > 50 % angestiegen. Das Vorbild der Niederlande und Dänemarks zeigt jedoch eindrucksvoll, das eine national einheitlich durchgesetzte Präventionsstrategie die Selektion und Ausbreitung von MRSA drastisch zu reduzieren vermag. Nachdem in Dänemark die Inzidenz 1966 auf 18 % angestiegen war, wurden folgende strenge Vorschriften einer sog. Schutzisolierung eingeführt, die erst nach negativem Screeningergebnis bzw. antiseptischer Sanierung aufgehoben wurde:

Gleichzeitig wurde landesweit eine stringente Antibiotikastrategie eingeführt, die es ermöglicht, den wöchentlichen Antibiotikaverbrauch einer Arztpraxis im Internet zu recherchieren. Im Ergebnis gelang es, die Inzidenz 1984 auf 0,2 % zu senken. Aufgrund der praktisch zeitgleichen Durchsetzung einer ähnlichen Strategie seit Anfang der 70iger Jahre in den Niederlanden konnte dort die Inzidenz bis zum jetzigen Zeitpunkt auf unter 1 % begrenzt werden.

Ursachen der MRSA-Zunahme und daraus ableitbare Schlussfolgerungen

  1. Eindämmung der Resistenzentwicklung
    Primär wird die Selektion von MRSA durch den Einsatz von Antibiotika verursacht. Insbesondere bei Chinolonen, Cephalosporinen, Trimethoprim und Methicillin ist der Selektionsdruck hoch. Auch gegen bisher noch wirksame Antibiotika wie Vancomycin und gegen sog. Reserveantibiotika wie Linezolid, Synercid und Rifampicin ist erwartungsgemäß eine Resistenzentwicklung zu beobachten. Da bereits vor Einführung der Antibiotika Resistenz-Plasmide existent waren und ein Verzicht auf Antibiotika nicht möglich ist, ist ein gewisser Selektionsdruck unvermeidbar. Damit ist eine Eradikation von MRSA nicht möglich und es kann nur die Zielsetzung verfolgt werden, den Selektionsdruck auf das erreichbare Minimum zu reduzieren.
    Maßgeblichen Anteil an der Resistenzentwicklung hat der nicht indizierte Einsatz von Antibiotika, z.B. bei viralen respiratorischen Infektionen, Bakteriurie, nicht evidenzbasierter perioperativer Antibiotikaprophylaxe vor Augenoperationen. Etwa 1/3 aller hospitalisierter Patienten erhalten Antibiotika, davon ist ein großer Teil entbehrlich. Der parallele Verlauf von steigendem Antibiotikaverbrauch und steigenden MRSA-Prävalenz lässt einen Zusammenhang vermuten. Begünstigt wird die Resistenzentwicklung durch Unterdosierung, topische Anwendung von Antibiotika (z.B. bei Wundinfektionen, infiziertem Gehörgangekzem, bakteriellen Hautinfektionen), die grundsätzlich zu vermeiden ist, durch Nichtbeachtung der Grundsätze der kalkulierten Antibiotikatherapie und ggf. auch der Nichtbeachtung des Resistogramms sowie zu kurzer bzw. zu langer Anwendungsdauer.

    Damit ergeben sich folgende Arbeitsschwerpunkte im Rahmen der Intensivierung der Präventionsmaßnahmen:

    • Konsequente Umsetzung der Verschreibungsrichtlinien für einen gezielten Antibiotikaeinsatz nicht nur in Krankenhäusern, sondern in gleicher Weise auch im niedergelassenen Bereich. Die Richtlinien müssen dafür mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit propagiert werden. Es sollte überprüft werden, ob es sinnvoll ist, zusätzliche Kontrollmechanismen einzuführen (z.B. einheitliche Dokumentation jeder Antibiotikaverordnung mit Einführung von Erstattungsregelungen durch die Krankenkassen). Sofern durch Studien ein Selektionsdruck für bestimmte Antibiotika gesichert ist, sollte dieser Gesichtspunkt zusätzlich berücksichtigt werden.

    Zusätzlich sind folgende Gesichtspunkte zu beachten: Einhaltung der erforderlichen Therapiedauer

    • Richtige Dosierung, z.B. unterscheiden sich Pharmakokinetik und -dynamik bei Säuglingen und Kleinkindern deutlich von Erwachsenen (geringere Spiegel bei gleicher Dosierung, therapeutisch wirksamer Spiegel muss wegen geringerer natürlicher Resistenz länger als bei Erwachsenen aufrecht erhalten werden), so dass vom Hersteller differenzierte Untersuchungen zur Kinetik bei Säuglingen und Kleinkindern (ggf. auch bei Senioren) zu verlangen sind.
    • In der Tierhaltung ist der nutritive Einsatz von Antibiotika in Deutschland untersagt. Für den therapeutischen Einsatz gibt es analog wie in der Humanmedizin Verschreibungsrichtlinien, die mit analoger Konsequenz umzusetzen sind.
  2. MRSA-Screening und Konsequenzen
    Nur durch rasche Identifizierung von MRSA-Trägern ist eine wirksame Ausbruchprävention möglich.

    Indikation, Umfang und Laborrichtlinien für ein MRSA-Basisscreening vor Krankenhausaufnahme sind in Deutschland durch die RKI-Richtlinie von 1999 geregelt. Es soll durchgeführt werden bei Wiederaufnahme mit bekannter MRSA-Anamnese, bei Aufnahme und Verlegung aus Einrichtungen mit MRSA-Vorkommen und aus Ländern mit hoher MRSA-Prävalenz. Bei gehäuftem Auftreten ist eine Genotypisierung anzustreben. Im Kommentar vom 12.11.2004 werden folgende Ergänzungen vorgenommen: bei Patienten mit Kontakt zu MRSA-Patienten und Risiko-abhängig bei Patienten mit mindestens 2 der folgenden Risikofaktoren: chronische Pflegebedürftigkeit, liegender Katheter, Dialyse, Hautulcus/Gangrän/chron. Wunde, tiefe Weichteilinfektion, Brandverletzung. Wie bei der Antibiotikastrategie muss auch hier die Umsetzung entsprechend lokalen Gegebenheiten, definierter Risikobereiche und Risikofaktoren in jedem Krankenhaus differenziert und konsequent realisiert werden. Hier kommt der Eigenverantwortung der Krankenhäuser ebenso wie der Kontrollfunktion des Öffentlichen Gesundheitsdienstes die entscheidende Bedeutung zu. Jedes Krankenhaus sollte sich für das Vorgehen eine Standardarbeitsanweisung erarbeiten, die via Internet jedem Mitarbeiter auf Abruf zur Verfügung stehen sollte.

    Erkannte MRSA-Träger sind in Deutschland gemäß RKI-Richtlinie bis zur antiseptischen Sanierung oder Entlassung zu isolieren. Die Sanierung ist ohne synchrone Durchführung von Desinfektions- und Distanzierungsmaßnahmen im patientennahen Bereich sowie auf weiteren kontaminationsgefährdeten Flächen, z.B. persönliche Utensilien, Fußboden im Patientenzimmer, allerdings nicht oder nur verzögert erreichbar. Auch das wird in der RKI-Richtlinie gefordert. Durch konsequente Händedesinfektion muss eine Weiterverbreitung verhindert werden. Um das Ausmaß der Erregerfreisetzung unterschiedlicher MRSA-Stämme in die Patientenumgebung zu ermitteln, wird z.B. in den USA empfohlen, die Auflagefläche am Gesäßbereich bei Bettlägerigen und bettnah die Erregeremission zu überprüfen. Bei konsequenter Umfeldhygiene kann jedoch darauf verzichtet werden.

    Die antiseptische Sanierung von MRSA-Trägern einschließlich begleitender Hygienemaßnahmen ist nach wie vor eine wissenschaftlich ungelöste Frage. Generell ist die Sanierung im Vestibulum nasi, von Wunden und bei kolonisiertem Tracheostoma besonders schwierig. Zur Effektivität einer erfolgreichen Sanierung haben wir bisher 25 Patienten eines Neurorehazentrums nach Entlassung über ein Jahr nach verfolgt und in keinem Fall eine Rekolonisation festgestellt (Kramer u. Treig, in Vorb.), d. h. durch ein wirksames Sanierungsregime ist offensichtlich eine langfristige Eradikation möglich.

    Wird ein MRSA-Träger aus der stationären Behandlung in die Häuslichkeit oder in eine Gemeinschaftseinrichtung (z.B. Altenpflegeheim) entlassen, ergeben sich folgende z. Z. nicht ausreichend geregelte Probleme: einheitliche Dokumentation des Trägerstatus (auch bei Sanierung) für den Fall eines späteren Krankenhausaufenthalts, differenzierte Überprüfung der Nichtnotwendigkeit/Notwendigkeit der antiseptischen Sanierung nach Entlassung bei nicht abgeschlossener Sanierung (z.B. bei Tätigkeit in Risikobereichen) und Regelung der Kostenübernahme bei Entscheidung zur Sanierung.

    Schlussfolgerungen:

    • Konsequente Umsetzung der bestehenden Empfehlungen zur Kontrolle von MRSA durch die Einrichtungen mit begleitender infektiologischer und krankenhaushygienischer Schulung sowie mit verstärkter Überwachung durch die Strukturen des ÖGD
    • Überprüfung eines wirksamen Sanierungsschemas für MRSA-Träger z. B. mittels einer Multicenterstudie
    • Erarbeitung von Grundsätzen zur Risiko-abhängig differenzierten Entscheidung einer Sanierung klinisch gesunder MRSA-Träger nach stationärer Entlassung zur Verhinderung einer Weiterverbreitung.
  3. Surveillance
    Gemäß Infektionsschutzgesetz ist jeder MRSA-Ausbruch meldepflichtig. Einrichtungsintern sind Multiresistenzen zu erfassen, die auf Verlangen dem Gesundheitsamt vorzulegen sind. Es ist abzuwägen, ob diese Erfassung jährlich einer Auswertung zugeführt werden sollte. Damit würde die Datenbasis über bestehende Surveillance-Projekte hinaus deutlich erweitert werden können.

  4. Allgemeine Infektionsprävention ohne Nachweis von MRSA
    Da bei Krankenhausaufnahme kein generelles MRSA-Eingangsscreening vertretbar ist, vergeht bis zum „Zufallsbefund“ oder nicht erfolgendem Nachweis von MRSA (oder anderer multiresistenter Erreger) eine unterschiedlich lange Zeitspanne, in der die Erreger unerkannt über die Hände des Personals und in die Umgebung abgegeben werden können. Zur Verhinderung einer Weiterverbreitung ist ein effizientes Multibarrierensystem krankenhaushygienischen Präventionsmaßnahmen einschließlich baulicher Rahmenbedingungen (z.B. ausreichende Anzahl von Einzelzimmern in Risikobereichen) erforderlich. Dabei ist die Händedesinfektion die entscheidende Maßnahme zur Verhinderung einer Weiterverbreitung. Die Desinfektion im Umfeld ist die einzige Möglichkeit, in die Umgebung freigesetzte Krankheitserreger abzutöten und dadurch deren Weiterverbreitung zu unterbinden. Die Etablierung eines effizienten Systems der Primärprävention mit der zugehörigen Surveillance ist durch das Infektionsschutzgesetz verbindlich gefordert. Dazu bedarf es nicht nur der krankenhaushygienischen Expertise, sondern auch der personellen Kapazität.

    Schlussfolgerung:

    • Da in Krankenhäusern durch Antibiotikaanwendung generell ein höherer Selektionsdruck für Mikroorganismen gegeben ist, muss dem jeweiligen Erkrankungsrisiko angepasst ein Multibarrierensystem der Infektionsprävention mit der Schwerpunkt der indizierten Hände- und Flächendesinfektion umgesetzt und fortlaufend auf seine Effizienz überprüft werden.
    • Analog dem betriebsärztlichen Dienst wird die Notwendigkeit gesehen, die Einsetzung von Krankenhaushygienikern und Hygienefachkräften in allen Bundesländern gesetzlich zu verankern.

    Zur Bündelung der unterschiedlichen Aktivitäten wird die Bildung einer Task force MRSA unter Koordinierung durch das RKI empfohlen, um die Präventionsempfehlungen des RKI umzusetzen und neue Präventionsansätze auf ihre Relevanz zu überprüfen.

 

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